pathos 2000 - ein club entsteht (konzept & presse)

"ein Club entsteht, gegründet von einem Theater - jeden Abend neu. Der Club bildet den Nährboden aus dem Theater entstehen kann. Ist zugleich der räumliche und zeitliche Rahmen als auch der personelle Fundus der Theaterprojekte. Der Club kann flexibel auf die unterschiedlichsten Theatersituationen reagieren, sie ergänzen, sie in Frage stellen oder einfach nur ermöglichen. Für das Theater bedeutet das, dass es sich mit einer offenen Struktur auseinandersetzen muss, dass es sich seinen Raum holen muss, dass es keine künstlichen Hierarchien der einzelnen Arbeitsbereiche gibt, die auf ein Gesamtkunstwerk zusammen laufen, sondern dass verschiedene Künstler aus verschiedenen Bereichen gemeinsam ein heterogenes Bild entwerfen, das – jeden Abend neu – seine Spannung aus dem Wechselspiel von Disharmonie und Überschneidung bezieht.

In solchen Arbeitsweisen: "mit

ihren Überschneidungen, ihren sich überkreuzenden Linien, ihren

Treff-Punkten mittendrin [...] tauchen keine Subjekte mehr auf, wohl aber

kollektive Äußerungsverkettungen; keine art- oder gattungsspezifischen

Besonderheiten, wohl aber Populationen, Musik – Schreiben – Wissenschaften

- Audivsuelles, samt deren Echos und Arbeitsinterferenzen. Was hier ein

Musiker macht, wird dort einem Schriftsteller nützen, was hier ein Wissenschaftler

findet, bringt Alltagsstrukturen in bewegung. Es gibt nur Intermezzi (lustige)

Zwische nfälle als Stätten schöpferischer Aktivitäten." (Gilles Deleuze)

 

Das Projekt gliedert sich in einzelne Stufen, die zeitlich aufeinander folgen und aufeinander aufbauen, sich aber inhaltlich nicht aufeinander beziehen müssen. Die einzelnen Stufen sind durch Ruhepausen voneinander getrennt.

Stufe 1 (April bis Juli 2000): Upwarming & erste Gehversuche

Mit den Projekten Kanak Sprak, heimatLos & jenseits des Sees (eine Co-Produktion mit Wasteland Industries). Es wurde eine theatrale Maschine erarbeitet und getestet, die es ermöglicht, den Raum des pathos transport theaters in seiner ganzen Bandbreite zu nutzen, von reiner Clubatmosfäre bis zu reinem Theater.

Stufe 2 (September bis Dezember 2000): Mit pathos 2000 in den Winter

In dieser Stufe nimmt die Idee der theatralen Netzwerke eine zentrale Stellung ein. pathos 2000 trifft auf andere Gruppen, die ihre eigenen Konzepte in den einzelnen Veranstaltungen verwirklichen können. pathos 2000 stellt dabei den Raum und tritt in den Veranstaltungen durch ein Interventionskommando in Erscheinung. Das Interventionskommando ist der nomadische Teil von pathos 2000, der  in allen Nicht-Eigenproduktionen erscheint. Neben den Vernetzungen gibt es auch eine Eigenproduktion, die der Gegenpol innerhalb der zweiten Stufe sein wird. Diese stellt den sesshafteren Teil von pathos 2000 dar, der ständig um die theatralen Begriffe Einmaligkeit und Wiederholbarkeit oszilliert.

Stufe 3 : (März - April 2001) pathos 2000, der Club formiert sich – das Theater schlägt zurück

Der Club als Theater oder das Theater als Club. Zwei Pole vereinigen sich in einem großen Spiel. In Stufe 3 wird der Club selbst als theatraler Ablauf interpretiert & inszeniert. Bar, Kasse, DJ & VJ werden als Akteure den Abend nach einer Partitur bestreiten, die als formaler Rahmen dient. Dabei sollen literarische Texte eine genauso große Rolle spielen wie Alltagsabläufe. Theatrale Codes stehen neben privaten Gesprächen. Auch die Gäste sind nicht nur Gäste, sondern werden in Abläufe verwickelt oder bekommen die Möglichkeit, in den Ablauf gestalterisch einzugreifen. So wird der Clubabend zu einem interaktiven Theaterstück mit verschiedensten Akteuren &  Szenerien."

 

SZ, MÜNCHNER KULTUR
Samstag, 8. April 2000

Wenn alles nichts wird, bleibt uns die Party
Das ''pathos transport theater''wird ein Multi-Event-Club

Aus einem Theater wird ein Club. Unter dem Titel ''© pathos 2000'' entsteht im pathos transport theater in der Dachauerstraße (Nähe Leonrodplatz) eine neue Form theatralen Zusammenwirkens: Musik - live und als Konserve, Video, Dias, Theater im eigentlichen Sinn. Alles befruchtet sich, alles h&aauml;ngt zusammen, nichts steht für sich allein. Allerdings soll daraus kein beliebiges Gemengsel erwachsen. Denn für einen genau strukturierten Ablauf sorgen die beiden 'Gehirne' des Projekts, Sylvia Panter und Michael Bischoff. Letzterer nennt die Vorgehensweise so: 'Einen starren Rahmen schaffen, um im Kopf frei zu werden.'

So starr wird das Ganze aber nicht werden, wissen doch die beiden (und mit ihnen das gesamte pathos-transport-Team) selbst noch nicht, was an den Abenden letztendlich passieren wird. Eines ist jedenfalls sicher: Ein wenig an einen Club erinnern die Räumlichkeiten mittlerweile. Dafür wurde viel gebastelt, unter anderem eine grössere Theke, es teilen nun Vorhänge den Raum, und es wurden Sitz- und Kuschelgruppen geschaffen, in denen sich die Besucher aber nicht träge dem Konsum hingeben sollen. Denn wie in jedem Etablissement lebt die Atmosphäre von den Gästen, von deren Neugierde.

Spontaneität ist das Schlüsselwort. Nur wenige Teile der Abende, etwa die Videoeinspielungen, sind vorproduziert. Ansonsten soll alles aus dem Zusammentreffen heraus entstehen. Egal, ob da jetzt der DJ die Schauspieler beeinflusst, die den DJ, dieser wiederum die Video-Einspielungen, diese die Schauspieler. Bislang ist ein 'Stück' im engeren Sinne geplant: ''Kanak Sprak'' von Feridun Zaimoglu. In welchen Stadien dieses sich aus der Club-Atmosphäre herausschälen, wann es das erste Mal vollständig zu sehen sein wird, kann niemand sagen. Zunächst sind bis zum 20. Mai die Freitage und Samstage für pathos 2000 geplant (Beginn bei freiem Eintritt ist Samstag, der 8. April), jeweils ab 21 Uhr.

Erstaunlich war für Michael Bischoff, dass mit dem Konzept der kontrollierten Spontaneität offenbar bei der freien Szene offene Türen eingerannt wurden; jedenfalls herrscht Interesse genug. Letztlich prononciert die offene Form ja nur ein Grundgeheimnis von Theater: Keine Aufführung ist wie die andere. Freilich wächst selten ein Abend aus dem vorangegangenen, werden Prozesse wirklich sichtbar, wird auf die Umwelt spontan reagiert. Für Sylvia Panter ein wichtiger Beweggrund. Sich immer nur in Texte hineingraben, das könne nicht alles sein, hat sie sich gedacht. Deshalb will sie ihre Umgebung erforschen, auch wenn diese Forschungen durch die Clubwände fürs erste begrenzt werden. Und wenn diese Forschung nichts zu Tage fördert, sprich das Projekt scheitern sollte, dann hätte man wenigstens eines: eine gelungene Party. (EGBERT THOLL)

 

SZ, MÜNCHNER KULTUR
Donnerstag, 12. Oktober 2000
ABBRUCH; AUFBRUCH

Das ''pathos transport theater'' wird zum Event-Club mit Bühne

Muss Theater eine Bühne haben, müssen Schauspieler ihren Text können, eine Rolle spielen? Fragen, die lang schon mit Nein beantwortet werden können, aber immer noch zu selten die Realität beeinflussen. Im pathos transport Theater ist man seit knapp einem Jahr dabei, neue Formen und Bewegungsmöglichkeiten von Theater im weitesten Sinne auszuprobieren, mit dem Ergebnis, dass die Erfasser der Veranstaltungskalender nicht mehr wissen, ob das pathos gerade unter Theater, Ausstellung, Film oder Party einzuordnen ist. Für pathos-Macherin Sylvia Panter und ihren neuen Mitstreiter Michael Bischoff ein erster Erfolg hin zum Club der unbegrenzten Möglichkeiten, geht es doch darum, den Raum für Künstler aller Richtungen zu &ouuml;ffnen, die in einem vorgegebenen Rahmen ihre eigenen Konzepte verwirklichen können.

Die alte Regel, ''aufhören wenn’s am Schönsten ist'', war der Auslöser für die Club-Idee. Mit der erfolgreichen Münchner Erstaufführung von Mark Ravenhills ''Shoppen und Ficken'' hatte sich das pathos transport gerade wieder in die Charts der Szene gespielt, als sich für Sylvia Panter die Frage stellte, ob man jetzt einfach mit dem nächsten heißen Erfolgsautor weitermachen sollte. ''F&uumnl;r mich war die Welle eigentlich schon wieder abgeebbt, und deshalb habe ich beschlossen, einen harten Schnitt zu machen. - Das Theater hat also erst mal Pause. Der Club entsteht. Was auch nur bedingt richtig ist, denn ''der club bildet den nährboden aus dem theater entstehen kann," wie es programmatisch in der pathos-üblichen Kleinschreibweise heißt. Gross geschrieben wird dabei die Einmaligkeit des Abends, die spontane Reaktion des DJs auf die Schauspieler, der Schauspieler auf das Publikum, die Vermischung von Event- und Arbeitssituation. ''Man muss den Raum hergeben, um ihn sich dann wieder zu holen'', erklärt Sylvia Panther, und so ganz gelöst ist die Frage, wie das funktionieren soll, noch nicht. Mit einem 'Interventionskommando' wollen Panter & Co. jeweils die Aktionen der Gastkünstler konfrontieren und kommentieren. In der 'kurz film nacht' am letzten Samstag reichte es allerdings nur zu einer braven Podiumsdiskussion.

Aber auch das Theater soll nicht ganz verschwinden. Mit den Projekten ''Kanak Sprak'' und ''heimatlos' hat man im Sommer erste Erfahrungen gesammelt, wie es ist, wenn es statt eines Premierentermins wöchentliche Präsentationen von work in progress in 'ungezwungener' Clubatmosphäre gibt - für die Schauspieler oft eine grössere Herausforderung als ein Monolog. Und auch das Publikum, jeden Abend eine andere Mischung, braucht noch etwas Zeit, um sich an seine neuen Freiheiten zu gewöhnen. ''Die Clubleute waren von Anfang an sehr relaxed und haben sich das angeschaut, dagegen reagierten die Theaterleute ziemlich irritiert'', erzählt Panter. ''Die kamen an die Theke, um zu fragen, wann es losgeht, was jetzt passiert und ob man zwischendurch herumgehen darf. Manche waren richtig beleidigt, und einer fing sogar an zu randalieren.''
Wenn Panter demnächst ''Euridike in der Unterwelt'' von Kathy Acker probt, gibt es wieder Gelegenheit, Berührungsängste abzubauen. Zuvor heißt es am Samstag von 21. 30 Uhr [Januar 2001] an ''Underpass goes pathos performance''. Die undercover Party-Agenten, bisher vor allem in Unterführungen aktiv, setzen erstmals einen Fuss in ein überdachtes Theater: auch eine Premiere ''for undercover party lovers''. (SILVIA STAMMEN)

pathos 2000 ist (war): reinhold behling, michael bischoff, peter freitag, filme, gabi graf, micha gruber, david guttandin, rainer haustein, marcus huber, kanak sprak, claudia karpfinger, jee lang, tobias lange, alex neuss, musik, sylvia panter, marc rohweder, suse schmidt-guttandin, theater, triplecanopy, ulrich walljasper, danielle gaubatz, elisa vourmasou, franz wechtenbruch & freunde

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